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Von Verspieltheit und Demut
Die Lindauer Marionetten-Oper existiert bereits seit 17 Jahren und kann sich einer immer noch größeren Beliebtheit und Bekanntheit, weit über Deutschland hinaus, erfreuen!
Sie geht nicht nur durch alle Medien, von ihr geht eine weite Welle der Mundpropaganda aus.Wie die Puppenbühne entstand, was für Charaktere hinter Ihrem Vorhang agieren, genau diese Fragen trieben mich um, nachdem ich mich inspiriert fühlte, die Aufführung der Oper Die Zauberflöte, zu besuchen.
Die exakt abgestimmten Details, die Schönheit des gesamten Bühnenbilds, und der einzelnen Puppencharaktere, zogen mich regelrecht in ihren ganz eigenen Bann.
Immer wieder konnte ich komplett ausblenden das sich auf der Bühne Puppen zu den Arien von Mozart bewegten und keine Menschen. Es faszinierte mich sehr wie es die Puppenspieler schaffen, für uns Zuschauer völlig unsichtbar, und dennoch eben voll präsent, die mitschwingende Schwere einer Oper, mit dem, oft eher kindlich,- lustig,- verspielt,- empfundenen Marionettenspiel, in Einklang zu bringen.
Diese beiden Kontraste, die speziell hier eine Symbiose ergeben, sind mir während der Aufführung regelrecht ins Auge gesprungen. Diese beiden Aspekte im Zusammenspiel fand ich auch im Gespräch mit Bernhard Leismüller, eins zu eins wieder, als ich mich ein paar Tage später mit ihm über die persönliche Geschichte des Puppentheaters unterhalten durfte:Bernhard ist 1977 geboren und wuchs in Bad Tölz, mit der schon seit über hundert Jahren alten Tradition des Marionettenspiels, auf. Er begann bereits als kleiner Junge diese Aufführungen, meist Märchen und illustre Theater, nur zu gern, zu besuchen. Der eigentlich magische Moment jedoch entstand erst während der ersten Marionetten-Oper, die er im Alter von 11 Jahren sah. Sie trug den Titel: Die Entführung aus dem Serlail. Ab dieser Begegnung, auch mit den beiden unterschiedlichen Attributen Verspieltheit und Demut, war es um den Heranwachsenden geschehen!
Seither hatte der junge Bad Tölzer den Wunschtraum an solch einer Aufführung mitwirken zu dürfen, und somit selbst das Marionetten Spiel zu erlernen.
Zunächst stand ihm noch sein junges Alter im Weg, was die Leitung des Tölzer Puppentheaters unmissverständlich klar machte. Doch Bernhard brachte seinem Traum eine fast schon stoische Haltung entgegen und besuchte jede Aufführung die er nur konnte.Durch sein sehr überpünktliches Erscheinen zur Aufführung des Märchens
Der Räuber Bim, konnte er eines Tages, ein Backstage- Gespräch innerhalb der Puppenspieler-Gruppe belauschen, in dem es darum ging das ein Akteur ausgefallen war und somit die gesamte Aufführung gefährdet sei. Bernhard fragte sich, trotzt seines jungen Alters, und der völligen Erfahrungsfreiheit nicht, ob er den Anforderungen gerecht werden konnte, und bot sich ganz selbstverständlich als Aushilfe an.
Diesmal sollte sein Mut der Anfrage belohnt werden. Und so bekam der zwar junge, aber offensichtlich ernst zu nehmende Marionetten-Fan seine große Chance:
Das Wunder nahm seinen Lauf! Er bekam an diesem Tag gleich 4 Aufgaben gestellt und war noch niemals zuvor von irgendetwas so begeistert:Zunächst hatte er einen Wagen, genauso wie alle Puppen, an unsichtbare Fäden, an einem Spielkreuz aus Holz, über die Bühne zu bewegen.
Dann durfte er ein paar Kühe drehend bewegen und sogar mit ihren Schwänzen schlagen.
Dazu kam der Flug mit einem Marionetten-Flugzeug, und zu guter Letzt ging es noch einmal mit einem Bretterhandwagen über die Bühne. Danach war er ins Team aufgenommen und erlernte die Kunst und das Handwerk des Puppenspiels.Später blieb er neben seiner Ausbildung zum Floristen mit viel Talent, Ehrgeiz,
aber vor allem mit Liebe und Aufmerksamkeit zu Details, seinen Marionetten gerne treu!
Er vertiefte seine Leidenschaft über viele Jahre mit einer besonderen Hingabe, die heute jeder spüren kann der ins Lindauer Stadttheater kommt, und die Aufführungen sieht.Im Alter von 21 Jahren absolvierte er seinen Zivildienst und kam in eine Art Besinnungszeit, wie er mir beschreibt. Es entstand der dringende Wunsch in ihm, die Vision, einer eigenen Marionetten-Bühne, die überwiegend Opern aufführen würde.
So begab sich Bernhard tatsächlich 1998 auf die spannende Suche nach einem passenden Standort für seine Marionetten-Oper. Der Initiativen ergreifende Bernhard erkannte in der Bodensee- Gegend das Potenzial das passendes Publikum ansprechen zu können, und entschied sich, unter anderen die Stadt Lindau, und somit die damalige Kulturamt-Leiterin Frau Dr. Heilmann, mit seinem Konzept anzuschreiben.
Allerdings besaß er zum Zeitpunkt der Zusage des Kulturamtes noch keine einzige Puppe, geschweige denn eine Bühne, die er schon mitbringen müsse, lies Frau Dr. Heilmann ihn wissen. Zunächst baute der erweckte Jungunternehmer also eine mobile Bühne und all die Puppen und Requisiten die er für seine ersten geplanten Aufführung benötigte.
Dies waren die Zauberflöte und die Entführung aus dem Serail.
Damit kam er im Jahr 2000 nach Lindau zurück ins Stadttheater, wo die Lindauer Marionetten-Oper schließlich bis heute, dank der städtischen Förderung, ihre Heimat fand.Seit dem Jahr 2005 ist die Bühne nun fest installiert.
„Eine mobile Variante davon ist dennoch immer noch erforderlich“, fährt Bernhard in unserem Interview fort, „wir sind auch im Gastspiel tätig und demnächst wieder unterwegs!“Bis heute macht Bernhard so gut alles in Eigenregie, was mit der Herstellung und Restaurierung seiner Puppen und den Requisiten zu tun hat.
Viel zu anstrengend und zu komplex erscheint es dem Marionetten Künstler
seine ins kleinste Detail arrangierten Ideen und Eingebungen an einen anderen Menschen weiter zu vermitteln, sagt er.Immer wieder schließt er seine Augen, während er mir diesen Schaffensprozess versucht zu erklären: „Es sind die Feinheiten um die es geht, verstehst du, schon so viele haben sich angeboten für meine Puppen die Kleidung zu nähen, zum Beispiel. Doch wer schon mal versucht hat für eine Puppe zu nähen, der merkt recht schnell, das dies nicht so einfach ist. Zum einen muss der Stoff richtig fallen, authentisch eben, wie bei einem lebenden Menschen, müssen die Proportionen100 Prozentig stimmen, außerdem ist es fast unmöglich es mir wirklich recht zu machen.“ Dieser Prozess von der Figur im Kopf, bis hin zur fertigen Puppe am Spielkreuz ist was ganz einzigartiges!“
Ich spüre und verstehe den Visionär in ihm, der nur das Beste herausholen kann, wenn er selbst in jeder Faser, in jedem noch so kleinsten Detail, selbst präsent sein kann!Eine momentane Ausnahme stellt die Puppenkopfherstellung dar, die ein ausgebildeter Bildhauer übernehmen durfte.
Patrick Vonmoos, Bernhards Lebensgefährte bekam 2012 die Chance eventuell, in die Marionetten,- Spielkunst mit einzusteigen.
„Er wies wirklich ein Naturtalent auf“, bestätigt mir Bernhard lächelnd:
„Sehr schnell beherrschte er die wichtigste und gleichzeitig schwierigste Sache: Nämlich die Puppe auf der exakt richtigen Höhe zu führen! So das die Puppe tatsächlich auf der Bühne läuft, weder darüber schwebt, noch unnatürlich in die Knie geht.“
Gerade weil es nicht selbstverständlich ist talentierte Mitspieler zu finden, ist es ein sehr großes Geschenk des Lebens für Bernhard sich mit Patrick einen weiteren großen Lebens- Wunsch, den eines Familienunternehmens, erfüllen zu können!Der jetzt 31 jährige konnte schon zwei Jahre später seine Anstellung in der Schweiz als stellvertretenden Filialleiter im Einzelhandel kündigen und sich ab dann voll und ganz in die Marionetten-Oper einbringen. Die beiden haben sich die verschiedenen Arbeitsbereiche gut aufgeteilt, und gleichen sich sehr gut aus:
Bernhard verbringt die Arbeitsvormittage meist in der Puppen,- und Requisiten-Werkstatt. Patrick hält die Webseite in Schuss und hat den Ticketverkauf unter seiner Leitung.Unsere Interviewzeit ist auf der Uhr sichtbar vorangeschritten und wir begeben uns in Richtung Puppen- Bühne:
Während Bernhard nun noch einige Vorbereitungen für die abendliche Vorstellung
La Traviata trifft, bekomme ich von Patrick den, man könnte sagen, „den Heiligen Gral“ des Minimalistischen Theaters gezeigt. Wir steigen hinter dem roten Vorhang eine Treppe hinauf. Dorthin wo sich normal nur die Puppenspieler bewegen dürfen:Figur an Figur, insgesamt 450 Stück, hängen hier in Reih und Glied, in ihre verschiedenen Opern und Märchen sortiert. Hier lüftet Patrick das Geheimnis des Umziehens der Puppen für mich: „Natürlich wird eine Carmen nicht 5 Mal umgezogen,“ erklärt er mir mit leuchtenden Augen die verraten wie viel Leidenschaft auch er für diese Puppen in sich trägt: „Es gibt sie in 5 verschiedenen Kostümen, eröffnet er mir, und zeigt mir die 5 Kleidungsvarianten. Ich schmunzle meinen Irrglauben in mich hinein, und nicke mit einem selbstverständlichen Gesichtsausdruck.
Muskelkater in den Fingern oder Händen habe er noch nie bekommen, beantwortete mir Patrick meine nächste Frage. Wichtig erscheine ihm aber neben dem Talent für die feine Führung einer Marionette, eine gewisse Schwindelfreiheit, sowie ein starker Rücken.
Ich durfte mir noch einige Puppen etwas genauer ansehen:
Darunter die Hexe aus der Märchenoper Hänsel und Gretel, die einen Kopf von Bernhard selbst hergestellt, trägt. Die haarige Warze auf ihrem großen Spitz zulaufenden Kinn erschien mir gruselig echt, und echter Grusel läuft mir über meine Haut. Es ist unglaublich wie authentisch die Figuren mir hier ins Gesicht blickten. Langsam neigt sich mein Nachmittag in der Lindauer Marionetten-Oper dem Ende zu. Die nächste Führung steht schon so gut wie vor der Tür. Ein ganzer Bus wird erwartet.
Und selbst nach jeder Aufführung, macht sich das Team gemeinsam mit Bernhard die Arbeit den Besuchern die Option zu geben hinter die Kulissen zu blicken, interessante Details zu erfahren und Fragen beantwortet zu bekommen.
Einfach großartig, wie ich finde!Als ich mich von den beiden Männern verabschiede, und sie mit ihren beiden entzückenden Hunden weglaufen, geht mir ein Gedanke ganz unwillkürlich durch den Kopf:
Genauer betrachtet spiegelt die Arbeit von Bernhard und Patrick das menschliche Leben an und für sich, wieder! Denn im menschlichen Leben geht es ja auch bei weitem nicht nur um die lustigen, positiven, amüsanten, romantischen und freudigen Ereignisse, nicht wahr?! Genauso, geht es um unsere ganz persönlichen Lebens,- Tragödien:
Verschmähte Liebe, Enttäuschungen, zwischenmenschlichen Hass, Groll, Eifersucht, Krankheit, Rachsucht, und vieles mehr! Selbst angesichts des Todes, dem wir ja alle irgendwann begegnen werden, sollten wir wohl Idealer Weise lernen, diesem mutig, irgendwie mit verspielter Leichtigkeit, und dennoch mit Ernsthaftigkeit und Demut, zu begegnen!Verschiedenste persönliche Niederlagen und Enttäuschungen prägen unser menschliches Leben. Und auch wenn diese negative behafteten Erfahrungen mit Schmerz und Leid verbunden sind, sind es doch immer wieder genau sie, die uns als Mensch weiter wachsen und gedeihen lassen! Die Balance, diese Kunst zu beherrschen macht also nicht nur einen guten Marionetten-Spieler aus.
Im übertragenden Sinne sind dies gegensätzliche aber dennoch symbiotische Eigenschaften die uns helfen können unser Leben in aller Gänze zu begreifen! Gerade deshalb, so geht meine Gedankenschleife noch etwas weiter mit mir durch, ist es gerade Bernhard auch so ein großes Anliegen, gerade die etwas schwereren Opern, wie die der La Traviata, an seine Mitmenschen weiter zu vermitteln.
Dies hat sich in unserem Interview eindeutig heraus kristallisiert, und scheint sein eigentlicher Antrieb geworden zu sein! Ein echter Visionär und Künstler wie er einer ist, bleibt nicht auf seinem Erfolg stehen, er fordert sich selbst immer wieder neu heraus!Ohne eine tiefliegende Authentizität hätte diese kulturelle Kostbarkeit am Bodensee nie entstehen können, das wurde mir bewusst. Trotz des einzigartigen Erfolgs den Bernhard sicher genießt, blieb er bescheiden und meinte sich zurück lehnend: „Ein bisschen Glück gehört aber auch dazu!“ Ich empfinde ihn als ein glänzendes Beispiel dafür, was alles Wundervolles entstehen kann, wenn wir bei uns, unseren eigenen Visionen bleiben, und diese mit viel eigener Initiative verfolgen!
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